Blog Reisefotografie Reportage

Byfairmeans Testride

Wohin geht’s denn? – so die Frage auf mein Packfoto mit Rad- und Lauf-Utensilien. Trailrunningrucksack und Faltstöcke neben Fahrradhelm und -schuhen? Hin zum Berg aus eigener Kraft. Am nächsten Morgen starte ich, frisch getestet, in mein kurzes Solo-Mini-Abenteuer.

Tag 1 – Auf dem Hinweg stecke ich schon kurz nach Hohenschäftlarn leise fluchend mit meinem bepackten Gravelbike in tiefen Traktorfurchen fest. Warum muss ich denn für so eine Aktion unbedingt eine fast komplett unbekannte Route fahren? Warum nicht einfach einfach – an der Isar und Loisach entlang direkt nach Garmisch rollen? Nein, ich habe natürlich ein paar extra Anstiege eingebaut. Die Route führt mich mit dem Gravelbike heute von München nach Ehrwald auf überwiegend unbekannten Schotter-, Feld und Waldwegen. Doch ich bin schnell versöhnt mit meiner Planung: der Weg liegt lange im schattigen Wald, wenn auch oft grob schottrig, oberhalb des Starnberger Sees, über Münsing, Ambach, und erst vor Iffeldorf in die schon vormittags pralle Sonnenhitze. 

Auf und ab in Wellen – immer wieder mit traumhaften Ausblicken und schließlich bei Murnau hinab zur Loisach, an der entlang es nun bis Garmisch flach entlang geht. Oberbayrische Postkarten-Idylle. Fast schon kitschig. Es rollt super, ich bin früh dran, so halte ich in Eschenlohe für eine kurze Pause am kleinen Dorfladen – Buttermilch Breze Banane – die drei B’s sind mir das liebste Essen unterwegs. 

Ab Garmisch wird es dann doch etwas zäh: Mittagshitze. Immer leicht bergauf, am Radweg mal näher mal weiter entfernt von der Bundesstraße, die aber heute ungewöhnlich ruhig ist. Noch keine Urlaubszeit. Noch nicht so viele, die jetzt wieder nach Tirol reisen? Gute Zeit erwischt. Ich schiebe den Gedanken beiseite doch über den Eibsee und Hochtörlehütte oben herum zu radeln. Dort wartet ein ordentlicher Anstieg. Nein, ich bleibe am entspannteren Track, schließlich hab ich in den nächsten zwei Tagen noch mehr vor. Zwischendurch würde ich am liebsten in den Fluss springen um meinen Körper ein paar Grad runter zu kühlen. 31 Grad ist nicht mein Lieblingswetter. Nach dem ich so lange im kalten Frühjahr draußen geradelt bin, bin ich eher das Gegenteil gewohnt. Nach Griesen öffnet sich das Tal – der Blick ist frei auf das „Ehrwalder Matterhorn“, die Ehrwalder Sonnenspitze. 

Wow. Es fühlt sich irgendwie an wie nach Hause zu kommen. Im Wettersteinmassiv hab ich schon sehr viele Bergtage verbracht. Oft mit dem Ziel Zugspitze über den Stopselzieher, Zugspitze und Jubiläumsgrat, … aber eben auch in der Mieminger Kette um die Ehrwalder Sonnenspitze: hier wartet der Südgrat noch auf mich, eine Begehung steht noch aus, auf dem Plan steht er schon länger. Vielleicht im Juli?

Angekommen. Das Mellow Mountain Hostel ist nun für zwei Nächte meine kleine feine Bleibe, das Rad findet auch ein sicheres Plätzchen im Haus – es ist auch hier noch wenig los – ich bekomme eines der schönsten Zimmer. Zimmer mit Aussicht. Und was für einer!

Tag 2 – Am Morgen starte ich – nun zu Fuß, erstaunlich frisch und munter – in Trailrunning-Montur kurz vor 8 Richtung Biberwier, erstmal 1000 Höhenmeter hinauf zur Biberwierer Scharte. Kurz vor dieser die ersten Schneefelder. Ja, das war mir klar, ich habe Fotos vom Tag zuvor von Drachensee und Tajatörl gesehen – dafür ist Strava eben gut: man erfährt immer etwas über die aktuellen Verhältnisse. Grödeln für die Trailschuhe hab ich trotzdem nicht dabei. 

Der Schnee ist fest, gut zu stapfen, und der Blick auf den noch halb zugefrorenen Drachensee, der an der schon geöffneten Coburger Hütte liegt, wunderschön. Atemberaubend. Ein etwas poetisches Wort, aber hier passt es. Mein Plan war eigentlich mindestens bis hierher, denn ich war in diesem Jahr noch kein einziges Mal in den Bergen zu Fuß unterwegs – da würden die Höhenmeter schon langen. Aber wer mich kennt… schon bin ich weitergelaufen, am See vorbei, hinauf zum Weiteranstieg Richtung Tajatörl. 

Die Schneefelder werden dichter bis es schließlich komplett auf steilen Schnee ansteigt. Ich stapfe etwas mühsam vor mich hin – Trailschuhe mit den glatten Sohlen erschweren das noch etwas. Schließlich drehe ich, als es immer steiler wird doch um – denn mir wird klar, dass ich bei den Bedingungen noch nicht hinten rüber über den Ganghofersteig zur Ehrwalder Alm hinablaufen kann. Die mir aus dem Sommer bekannte steile Schotterreisen möchte ich nicht ohne Grödeln im Schnee hinabrutschen. Und sonst wird die Tour für heute zu lang. 
Jippie – Schneedownhill 🙌 – das macht Spaß, im Schnee abfahren mit Trailschuhen – so könnte von mir aus der ganze Abstieg sein. 

Bislang fast alleine unterwegs kommen mir ab dem Seebensee nun mehr Wanderer und Biker entgegen. Ich flüchte auf den kleinen Pfad abseits der Forststraße, am Hang entlang, hinab und quer über die Wiese zum Tiroler Haus an der Ehrwalder Alm Bahn. Jetzt hab ich doch eine Pause verdient, ich bin schon fast 20 Kilometer unterwegs stelle ich erstaunt fest. Breze Hollerschorle Wiener Kaffeekultur – das Ganze am liebsten zweimal – sitze ich auf der schattigen Seite der Terrasse und genieße den Bergblick zur Mieminger Kette hinauf. Noch echt viel Schnee. Und das schon unterhalb von 2000 Metern. Klar, nicht in den sonnenausgesetzten Wänden, da ist alles fix weggeschmolzen, aber die schattigen Mulden haben im Winter sehr viel Vorrat angesammelt der noch ein wenig liegen wird. 

Jetzt geht es nur noch hinab – ich wähle die Skipisten-Dirretissima. Wobei man hier den Elektrozäunen schon glauben schenken sollte. Ich steige etwas eilig und unvorsichtig über einen hinweg und bekomme prompt eine Watsch’n. Autsch. Jetzt ist die Energie wieder aufgeladen…

Und schon bin ich Ehrwald unten angekommen. Am Ende noch die Füße im Bach abkühlen, am liebsten würd ich mich ganz hineinlegen. Ich zögere – ist das jetzt ungünstig wegen dem kleinen Stromschlag vorhin? Jetzt ins Wasser? Keine Ahnung, wahrscheinlich ein völlig absurder Gedanke. Eiswasser ist jetzt auf jeden Fall das beste für die heiß gelaufenen Oberschenkel aber kann es auch nicht verhindern: die 1500 Höhenmeter – in dieser Saison noch komplett untrainiertes – Downhilllaufen wird morgen weh tun. 

Tag 3 – Ein Gedanke will mir nicht mehr aus dem Kopf. Ich rolle ohne Eile am Plansee entlang, die schmerzenden Oberschenkel von den „Tiefenmetern“ gestern schon vergessen (bis zum nächsten Anstieg zumindest). Ein Tag radeln – ein Tag Trails in den Bergen laufen. Am nächsten Tag ins nächste Tal weiterradeln. Und so weiter. Quer durch die Voralpen. Auch weiter hinein. Aus dem Gedanken wird unterwegs in meinem Kopf schon ein erster grober Plan. 

Der dreitägige Testride hat schon mal die Erkenntnis gebracht: Meine Packliste war ziemlich perfekt. Nur noch ein Tape mehr (z.B. um gebrochene Flaschenhalter zu reparieren) und unbedingt Öl für die Kette. Ein Langarmshirt vielleicht – wenn’s mal keine 30 Grad hat. Die kleinen Grödeln für die Trailschuhe wären auch nicht verkehrt gewesen, zumindest in diesem Sommer, wo noch so ungewöhnlich viel Schnee liegt. Weglassen kann ich eigentlich nichts mehr. Eh schon „leicht unterwegs“ – wie immer.  

Was noch verbessert werden muss: die Widerstandsfähigkeit der Downhill-Muskulatur, sonst macht die Idee abwechselnd 1 Tag Rad – 1 Tag Berglauf keinen Spaß. In diesem Jahr war ich noch wenig, nein, gar nicht in den Bergen laufen – 0 Downhill-Höhenmeter, nur Isartrails – coronabedingt, schneebedingt und weil das Gravelbike ständig gerufen hat. Und das merkt man sofort. Bergauf – kein Problem, das scheint dieselbe Muskulatur zu sein, die man auch beim Radfahren braucht – aber das Runterrennen… Heute nehm ich mal den Lift in unserem Haus… Was hier zugute kommt: diese Muskulatur erinnert sich sehr schnell. Zweimal so eine Aktion reicht normal bei mir schon aus – und ich habe ab dem nächsten Mal kein Problem mehr mit 1000 Höhenmetern bergabrennen.

Das Fazit: zwei, dreimal Berglaufen und dann starte ich bald die nächste „by fair means“ Aktion – über mehr als drei Tage (aber Übernachten mit Dach über dem Kopf, sonst wird’s mir zu viel Gepäck). #bergsportisnomotorsport

Graveln und Trailrunning ergänzt sich finde ich perfekt. Und Hauptsache: Berge.

Die bergsüchtige Fotografin und Autorin.