„Keep adding pages to our memory book.“
Von wem dieses Zitat stammt, weiß ich nicht mehr; es steht in meiner langen Liste an Sätzen, die mir im Leben wichtig geworden sind. Genau das haben wir gestern gemacht, an einem herbstlichen Tag den Ammergauer Alpen.
Mit dem Satz „Die Alternative, auf die ich auch Lust hätte, mit kürzerem Zustieg“, schickt mir Stephan die Beschreibung von „Besser leben mit M.“, einer Mehrseillängentour am Kenzenkopf in den Ammergauer Alpen.
Der Kenzenkopf Mitten in den herbstlichen Ammergauer Alpen Der Zustieg von der Kenzenhütte
Laut dieser Beschreibung ist hier dank Pat Schwarzmann (http://www.allgaeu-plaisir.de/griass-di/) „eine sehr schöne alpine Sportkletterroute entstanden, die kaum Wünsche offen lässt. Die Linie verläuft vielfältig über mehr oder weniger griffige Verschneidungen, kompakten Plattenpassagen und steilen Aufschwüngen.“
© http://www.allgaeu-plaisir.de/besser-leben-mit-m-am-kenzenkopf/
„Die Schwierigkeit Die Tour bewegt sich homogen im 6. bis 7. Schwierigkeitsgrad und ist nur an wenigen Stellen etwas einfacher. Maximal 7+.“ Klingt toll! Auch wenn ich vor 7/7+ in alpinen Touren schon Respekt habe – plaisiermäßig eingebohrt sollte das für uns kletterbar sein. Außerdem nehmen wir für alle Fälle die Prinzessinnen-Exe mit…
Was hältst du davon aus dem über das Sägertal und den Bäckenalmsattel zur Kenzenhütte zuzusteigen, statt von Halblech aus?
frage ich Stephan. Er ist einverstanden mit dieser recht ungewöhnlichen Zustiegsvariante zum Kenzenkopf. Aber so können wir einen Großteil der Anfahrt mit einem Auto zurücklegen. Mit seinem, denn da passen zwei Räder besser hinein. Ein MTB und ein Gravelbike. Die Tauglichkeit meines Gravelbikes wird nun erstmalig für eine Bike-Hike-Climb Aktion getestet.
Gravel oder MTB? Alles ist möglich!
So geht es morgens das kühle Sägertal hinauf. Bis zu den letzten steileren Kehren ist der Weg gut gravelbar und – mit vollem Kletterrucksack – auch schneller zurückgelegt als zu Fuß. Wir deponieren die Räder und wandern zum Bäckenalmsattel hinauf. Weiter zur Kenzenhütte geht es ein paar Höhenmeter bergab. Dort trifft man – auch werktags – immer auf zahlreiche Wanderer, die die gemütliche Zufahrt per Wanderbus von Halblech aus nutzen.
Weiter in Richtung Kenzensattel geht es kurz vor diesem über ein Geröllfeld steil und weglos zum Fuß der Südwand des Kenzenkopfes hinauf. Wir stehen nach etwa zweieinhalb Stunden (1/2h mit Rad, 2h zu Fuß) am Einstieg.
Einstieg sofort gefunden 😎
Die Beschreibung zur ersten Seillänge (7/7+) lautet: „Eine gute Stütz- und Tritt-Technik ist auf den haltlosen Platten vorteilhaft.“ Ah, Platte – ja dann müssen wir um den Vorstieg ja nicht mehr würfeln, meint Stephan. Ich bin auch schon dabei, die ganzen (14!) Exen an meinen Gurt zu hängen. Passt perfekt, denn in der zweiten Seillänge erwartet uns ein „leicht überhängendes Wändchen“, das ich Stephan gerne im Vorstieg überlasse 😇 Wir ergänzen uns perfekt.
Die für mich schönste Länge der Route ist die dritte: „eine elegante Verschneidung, die sich sehr schön mittels Piaz-Technik bewältigen lässt“. Fast wie „El Schuppo“ in den Ewigen Jagdgründen im Zillertal. Nur ohne diese Unmenge an Chalk….
Trittlose Platten… und fränkische Löcher im Allgäu …der wirklich letzte Einsatztag von diesem Paar Kletterschuhe 😬
Anscheinend wird hier am Kenzenkopf eher weniger geklettert. Im Wandbuch sind nicht viele Einträge zu lesen. Wo es doch so eine schöne Route ist – trotz des leicht bröseligen Ausstiegs. In den letzten beiden Seillängen wurde es etwas grasiger, prompt bricht mir ein Griffchen aus, an dem ich mich mangels alternativer Griffe und vertrauenserweckender Tritte nach links auf den grasigen Absatz ziehen wollte. Obwohl ich schon etwas skeptisch war, ob es hält. Ein Sturz der Vorsteigerin folgt. Aber ist nichts passiert, vielleicht ein blauer Fleck und die Erkenntnis, „wenn man schon irgendwie an etwas Zweifel hegt, sollte man die Finger davon lassen…“ (gilt wohl auch für manch andere Lebenssituation).
Am Gipfelkamm angekommen könnte man hier abseilen, wir wählen die Variante, frei über den exponierten Grat hinüber zum Gipfel des Kenzenkopfes zu kraxeln (Stellen im 2. Schwierigkeitsgrad). Man sollte sich in dafür aber auf schmalem, schrofigem Gratgelände wohlfühlen. Und voll konzentriert sein auf den letzten Metern zum Gipfelkreuz.
Die Ausstiegs-2er-Kraxelei Auf die Idee, da rüber zu queren wäre ich ohne die Klettertour nie gekommen…
Beim Abstieg nehmen wir den zweiten Rucksack am Wandfuß mit. Stirnlampen hatten wir vorsichtshalber eingepackt – daher haben wir es nicht eilig und genießen noch den vorletzten Saisontag auf der Kenzenhütte. Wir haben Glück: Es gibt auch noch etwas zu Essen. Die Suppe mit Kaspressknödel war sehr verdient & lecker.
Anschließend zu Fuß über den Bäckeralmsattel zurück, sind es nochmal 250 Höhenmeter bergan, aber ein Verdauungsspaziergang ist immer gut. Hinab zum Radldepot packen wir die Lampe aus bevor uns noch ein Jäger mit Gamsen verwechselt, von denen einige hier um uns herum zu sehen oder hören sind.
Dank Petzl Nao++ hab ICH für die Abfahrt auch gute Fernsicht – dafür hab ich ja auch das weniger geländegängige Rad. Anfangs noch etwas grobsteinig, dann auf dem Forstweg rauschen wir hinab zum Parkplatz. Nur zehn Minuten später laden wir nach diesem wunderbar langen Bergtag die Räder ein. Ein Abenteuertag, der uns sehr intensiv in Erinnerung bleiben wird.
Wie es heute war? Schön!
„If we manage to fully immerse in an activity there is no future and no past. We arrive in the present moment.“
An alle, die an solchen Tagen keine Antwort auf WhatsApp & Co. von mir bekommen. Deshalb.