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#PAGT19 – Neues aus der Höhenmetersammlung

„Der Pitz Alpine Glacier Trail, der wäre was für dich, die Strecke gefällt dir bestimmt“,

meinte eine Freundin und Traillaufpartnerin im letzten Jahr zu mir. Und so stehe ich am ersten Samstag im August um 5 Uhr im Licht hunderter Stirnlampen, am Start des P45 Glacier in Mandarfen. Wie recht sie hatte, daran muss ich während des Rennens immer wieder denken. 

Pitztal Alpine Glacier Trail Vorbereitung
„Fotoshooting“ 😉 bei unserem Vorbereitungslauf eine Woche vor dem PAGT

„Nimmst du denn überhaupt was von der Umgebung wahr, wenn du so durch die Berge rennst?“, werde ich ein paar Tage zuvor gefragt. Ja. Voll und ganz. Vielleicht nicht ständig die Aussicht und den Fernblick, aber die Atmosphäre, die Vielfalt des Weges, den schmalen Pfad, den steilen Steig, die Farbe und Beschaffenheit der Steine, das Pfeifen von Gamswild und Murmeltieren, das Rauschen der Wasserfälle. Voll und ganz bin ich in die Bergwelt eingetaucht. 

Während der vielen Stunden, die ich unterwegs bin, ist zwar auch mal Zeit die Gedanken schweifen zu lassen. Allerdings nicht oft, denn der Trail hier im Pitztal fordert immer wieder die volle Aufmerksamkeit. 

Konzentriert auf jeden Schritt kraxle ich über steiniges, verblocktes Gelände in steile Scharten – der erste Anstieg von 1300hm ist überraschend schnell geschafft – achtsam, dass ich keinen Stein lostrete (und die Läufer vor mir hoffentlich auch nicht…). Kalt hier oben auf knapp 3100 Meter über Seehöhe. Um die null Grad am frühen Morgen. Aber angenehm kalt. Viel, viel mehr mein Wetter als Hitze. 

Der höchste Punkt des P45 Glacier: die Mittagskogelscharte auf 3070m üNN
Foto: Öf Haglöfsson

Eingetaucht in die Fels-, Schnee- und Eiswelt um mich herum geht es über eine Gletscherpassage, vor der die Spikes (Pflichtausrüstung!) anzuziehen sind. Hoppla, da war schon ein Stück Eis vor dem eigentlichen Gletscher, sah aus wie Fels und – zack – einmal lang gemacht. Ein Paar Kratzer am Bein, ein Cut am Finger, der blutet doch ganz schön und der Streckenposten packt mir netterweise mein Pflaster aus dem Erste-Hilfe-Pack, damit ich die Grödeln schon mal anziehen kann und nicht so viel rot einfärbe 😬). Weh tut es gar nicht – dafür ist der Kopf viel zu fokussiert aufs Laufen.

Als ich vom Gletscher in Richtung Braunschweiger Hütte weiter aufsteige kommt die Sonne über den Berg und durch die Wolken. Mir läuft ein Schauer über den Rücken, so schön ist das. Bei was für einem anderen sportlichen Wettkampf kann man bitte so eine großartige Stimmung erleben? Fast alleine hier oben in dieser traumhaften Berglandschaft. Sonne zwischen Wolkenfetzen, Schnee und Eis zwischen Fels und Grün. Und gleichzeitig ein Rennen. Einfach glücklich, dass ich so etwas mitlaufen kann. Diese Mischung aus Anspannung und Anstrengung – ist ja kein Wandertag, es geht schon ums flott Vorwärtskommen und eine gute Zielzeit hätte ich auch gerne – und trotzdem die Schönheit der Natur genießen. Das ist ein Teil der Faszination Trailrunning für mich.  

Der lange anspruchsvolle Downhill von der Braunschweiger Hütte ist heute nicht nur steil und technisch sondern auch noch nass vom Regen am Vortag. Mit seilversicherten Passagen geht es 1000 Höhenmeter hinab. Steil, aber meins! Salomon Slab Sense SG sei dank. Für mich geht nichts, wirklich nichts, über dieses Gripmonster auf nassem, erdigem Fels. Hier überhole einige Läufer und mache Plätze gut. Beim ersten Durchlauf in Mandarfen liege ich ganz gut in der Zeit, die ich mir vorgenommen habe und fühle mich super. Die ersten 4 Stunden unterwegs. 

Ach ja – Essen nicht vergessen. Aus einem Interview mit Eva Sperger (im fatboysrun Podcast,) ist mir ihr Satz in Erinnerung geblieben: „Meine Strategie ist essen, essen, essen.“

Und so zwinge ich mich selbst immer wieder, nicht aus Bequemlichkeit das Gel im Rucksack zu lassen, sondern den Körper regelmäßig mit Kohlenhydraten und Wasser zu versorgen. Was ich bei Trainingsläufen sonst immer völlig vernachlässige. Aber heute weiß ich werde ich lange unterwegs sein, und nicht nur der Körper, auch der Kopf braucht viel Energie. Die Konzentration darf bis zum Schluss nicht nachlassen, der Trail bleibt technisch, anspruchsvoll.

Einzig über die hohen steilen Stufen bergauf, bergab ist mein Knie nach einiger Zeit etwas beleidigt, ich bleibe mal stehen und dehne das Bein, und schon geht es besser. Schön darauf achtend immer die Stöcke auch bergab herzunehmen und Stufen hinunter zu stützen, die Muskulatur einsetzen und mich nicht ins Gelenk fallen zu lassen. Bringt tatsächlich sehr viel. Nach ein paar Kilometern bin ich schon am Taschachhaus und alles ist wieder gut. 

Bei dieser – für uns P45 Glacier-Läufer letzten – Verpflegungsstelle nehme ich mir kaum mehr Zeit, denn jetzt heißt es, nur noch eine Stunde laufen, nur bergab, dann bin ich im Ziel. Ein Blick auf die Uhr zeigt – es sind schon 8 h 5 min seit dem Start vorbei, daher wird es wohl nichts mit meinem Wunschziel unter 9 zu bleiben. 

Sobald der Abstieg nicht mehr ganz so steil ist, laufe ich, innerlich schon total glücklich diese Strecke tatsächlich geschafft zu haben, die letzten Kilometer mit ordentlich Tempo, mit 5er, sogar 4:30er pace, aus dem Tal hinaus, in Richtung Ziel in Mandarfen. Noch eine Dame meiner Distanz überholt. 9 Stunden 6 Minuten. 12. Frau gesamt und 4. in meiner AK. Und – hey, eigentlich nicht mal so völlig platt. Lag sicher auch an der für mich erstmals brav befolgten Rennstrategie „Essen, essen, essen“ … 

„Sei stolz auf dich, niemand außer dir weiß, wie viel Kraft, Tränen, Mut und Vertrauen es dich gekostet hat dort zu sein, wo du jetzt bist!“ – Mary Oliver.

Pitztal Alpine Glacier Trail Vorbereitung