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I can never stop exploring! – Ötztal

„Weil nur erleben leben ist!“, um es mit Marie-Luise Mühlhubers Worten zu sagen.

Zuerst war es mal wieder eine erzwungene Planänderung: ein zusätzlicher Auftrag mehr (als Selbständige natürlich immer willkommen), eine Fahrgelegenheit zum Königssee damit verpasst – fiel für mich die Entscheidung aufs Ötztal. Befreundete Kletterer wollten die vier Tage um Maria Himmelfahrt dort verbringen; gerne nehme ich deren Mitfahrangebot an. Nicht zum Klettern, beim Sportklettern bin ich aktuell irgendwie raus, so einen ganzen Tag an einem Wandfuss verbringen widerstrebt meinem ruhelosen Entdeckergeist dann doch sehr. Vor allem: ich kenne das Ötztal noch gar nicht, und die benachbarten Täler, das Pitztal und das Zillertal, haben mich zuletzt so sehr mit ihrer Landschaft begeistert, dass ich unbedingt hier die Tage nutzen möchte um die Trails zu erkunden. 

Mein Plan steht nach intensivem Kartenstudium schnell fest: ich möchte mit Hüttenübernachtung längere Strecken weiter oben laufen. Erstens: gutes Höhentraining, den ganzen Tag zwischen 2000 und 3000m über Seehöhe zu laufen, und auf 2500m zu übernachten. Zweitens bin ich neugierig auf die Höhenwege, die ich in der Karte verzeichnet finde. St. Leonharder Höhenweg, Ludwigsburger Höhenweg, Ötztaler Almenhöhenweg. Ich plane und heraus kommt „Mein Ötztaltrek“. Ich liebe Wanderkarten. Strecken planen. Da kommt wohl die ehemalige Architektin in mir durch oder es liegt daran, dass ich schon als Kind von Papa Erkunde-Lehrer das Kartenlesen beigebracht bekam und später im VW-Bus auf der Fahrt in den Urlaub immer dann vorne sitzen durfte, wenn ich die Wegfindung übernahm. 

So mache ich mich ans Hütten recherchieren und suche im Netz nach Bildern von den zu überschreitenden Graten. Traumhaft schön muss es dort sein. Das Ergebnis ist eine 3-Tages-Tour, zu denen Kumpel Tobi, der spontan mitkommen kann, meint: „deine Vorschläge sind auch nicht gerade ohne…, klingt ziemlich anstrengen“. Und er ist fit!! 3 Tage, ca. 80km, ca. 7000hm…

Aber er lässt sich drauf ein, und hat es hoffentlich nicht bereut 😉

Tag 1, Etappe 1 vom leicht’schen Ötztaltrek. Ich bin um 4 Uhr morgens in München aufgestanden und mit der Kletterfreundin bis Längenfeld gefahren. Es läuft – noch – alles wie geplant. Das Wetter passt, nicht zu warm, nicht zu kalt, bis zum Abend trocken. Tag 1 bedeutet für uns 30 Kilometer mit 3000 Höhenmetern bergauf zu laufen und dabei auch einen 3000er, den Fundusfeiler, mitzunehmen. Steile Steige durch Steinpilz-Moosberen-Wald, fein laufbare Trails über die typischen Felsplatten, die ich schon vom Zillertal kenne, über grüne Schafweidenwiesen und gleich wieder durch karge Geröll-Mondlandschaft. Abwechslungsreicher kann eine Bergwelt kaum sein! Alles durchzogen von Bachläufen, Wasserfällen, tiefblauen Seen. Haunsee, Spitzigsee, Weißer See, Schwarze Wand See…

Noch ein Tal, noch ein Anstieg, um noch einen Berg herum – langsam muss doch die Erlanger Hütte kommen. Um die nächste Ecke bestimmt. Nein? Okay, dann aber danach…. Irgendwann steht sie da, in wunderschöner Lage am Wettersee, und wir sind beide ziemlich froh darum… Also, die Franken wissen schon wo’s am schönsten ist, finde ich als gebürtige Oberfränkin.

Am Abend fängt es zu regnen an. Nachts Schneefall bis auf 2700m runter. Die Hütte ist voll ausgebucht, die Matratzenlager-Nacht für jemand mit sehr feinem Gehör und leichtem Schlaf nicht gerade erholsam. Morgens noch Nebel, aber immerhin kein Regen mehr, doch leider keine Sonnenuntergangs- oder aufgangsaufnahmen – dafür muss ich nochmal wiederkommen. 

Wir steigen auf zum Wildgrat (2970m), schon bald nach der Hütte durch den Neuschnee. Brrrr. Kalt. Handschuhpflicht. Doch Spikes würden bei der dünnen Auflage nicht viel bringen. Und in dem steilen Felsgelände nicht gerade ohne. Am Gipfel des Wildgrat sieht man den Weiterweg – naja erahnt man den Weg, der zuerst in eine steile, frisch beschneite Scharte hinabführt und weiter zum Ludwigsburger Grat, auf den ich mich so gefreut habe. Nun reißen die Wolken auf – eine großartige Stimmung. Kurze Lagebesprechung – zähneknirschend aber einstimmig beschließen wir, den Plan hier zu ändern. Hinab durch die Scharte mit dem Neuschnee ist nicht nur unschön, sondern gefährlich, und einen unbekannten Grat mit II-er Schwierigkeit in noch nebligen Verhältnissen zu versuchen, absolut nicht vernünftig. Damit endet hier die Erkundung meiner eigentlich geplanten Route.

Die Alternative führt uns an Tag 2 nochmals über die Fundusscharte und wir entdecken den wunderschönen Waalweg Fundus. Flowiger kann ein Trail kaum zu laufen sein. Quer zum Hang, mit weiter Sicht über die gegenüberliegenden Berge. Ein fast ebenso schöner Nadelboden-Wurzel-Downhill à la „Holy Trail“ am Arber verläuft durch den Wald hinab Richtung Umhausen und bringt uns am Ende an den Ausgangspunkt in Längenfeld. Tag 2: 27km, „nur“ 1400 Höhenmeter bergauf, aber fast das doppelte bergab und das geht dann doch etwas auf die Substanz. Keine zweite Hüttenübernachtung, sondern für mich eine Nacht im VW-Bus auf dem Natur Camping Ötztal, wo man sogar im Kräutergarten seinen Pfefferminztee frisch pflücken kann. Schlafdefizit nachholen. Perfekt.

An Tag 3 laufe ich eine Runde – wenn ich schon hier bin – und erkunde noch weitere Ötztaltrails, die es alle wert sind unbedingt noch einmal wieder zu kommen. Ein Traum. „Nid so schnoi“ ermahnt mich eine Sennerin als ich bergab die E-Biker abhänge, die sich mit den wurzeligen Kehren ziemlich schwer tun. Die zweite Nacht am Camping verbringe ich im Zelt mit Sommerschlafsack… Minimalausrüstung ist das Wesen des Trailrunners 😉 –  und nach einem entspannten Sauna-Sonntag geht’s zurück nach München. Drei Tage Lauftraining reichen dann doch und es war ein super Training für meinen nächstes Ziel: die lange Distanz beim Gamstrail im September. 

Zurück „nach Hause“ schreib ich bewußt nicht, denn „Dahoam ist wo man sich wohl fühlt“ und das ist für mich definitiv viel mehr in den Bergen als in der Stadt. 

Und was für Kletterer gilt, gilt auch für mich Trailrunnerin (die ja auch zeitweise passionierte Kletterin war und sicher immer wieder mal sein wird):

“There are two kinds of climbers, those who climb because their heart sings when they’re in the mountains, and all the rest.” – Alex Lowe

Der Strava-Track von Tag 1 und Tag 2

Tag 2 auf outdooractive wie eigentlich geplant.