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Mayrhofen Ultraks

Lang ist’s her dass ich bei einem Trailrunning-Event an der Startlinie stand. Über ein Jahr. Letzten August im Pitztal bin ich zwar auf dem P45 Glacier gestartet, aber nicht auf dem geplanten Weg ins Ziel gelaufen. Der Kopf hat gestreikt. Einfach keine Lust, das Rennen zu Ende zu bringen. Vielleicht war auch Corona noch nicht ganz aus meinem Körper raus. Im Frühsommer diesen Jahres: den Tschirgant Skyrun abgesagt. Irgendwie war mir gar nicht mehr nach dieser Wettkampf-Atmosphäre, „ich mag nicht auf Zeit laufen, mir geht es um den Weg, nicht das Ziel, der Leistungsdruck stresst mich… …so hab ich in der Zeit auch den ein oder anderen Lauf mit Freunden abgesagt. 

Nun stehe ich recht spontan und – danke, Krölli! – trotz Registrierung nach Anmeldeschluss mit Startnummer 5151 am Samstagmorgen in der Läufermenge, die auf die 50-Kilometerstrecke beim Mayrhofen Ultraks starten wird. Ich reihe mich hinten ein. „Lass sie losrennen, nicht wie letztes Jahr im Pitztal am Anfang überpacen“, nehme ich mir vor. Ich laufe als letzte der Gruppe 1 (okay… – Gruppe 1 – das sind die ambitionierten Läufer…). Fühlt sich besser an, andere zu überholen, statt überholt zu werden, finde ich. Mit dem Überholen fange ich im ersten 1000hm-Anstieg auch gleich an. Anfangs sind noch Asphalt-und-Forststraßenpassagen dabei. Nicht mein Lieblingsterrain, aber ich habe die ehemals verhassten „leicht-ansteigenden Forstwege“ dank meinem neuen Wohnort nun häufiger auf der Laufrunde und nehme sie nun einfach wertfrei hin. Die Aussicht ist ja auch schön. Auf einfachen Wegen kann der Kopf entspannen. #thinkpositive 

Dann teilen sich die 30km und 50km Strecken und es geht Richtung Rastkogel. Endlich: Singletrails. Sogar traumhafte, mal felsige, mal erdige, alles laufbar. Die Wolken – Regen ist vorhergesagt – teilen sich, ein bisschen Sonne, aber auch kalter Wind, fresh… In den Downhill-Passagen wird mir aber sofort wieder warm. Wie schön, wie flowig, ich fliege hinab. Irgendwo kommen die Läufer der längsten Distanz dazu – Eva Sperger steht an der Strecke und feuert an. Das tut gut.  

„Stay positive“, hab ich mir vorgenommen und bleibe die ganze Zeit bei dieser Einstellung. Ich denke nicht an die Kilometer, ich denke nur daran, dass es mir gerade super geht. Ich darf durch die Berge laufen. Wenn ich unangenehm zu frieren anfange, nehme ich mir die Zeit, eine Jacke anzuziehen. Frieren kostet unnötig Energie. Also die eine Minute anhalten und anziehen. Richtung Rastkogel liegt tatsächlich etwas Neuschnee von vergangener Nacht zwischen den Felsen. 

Ich strahle die Helfer an den Verpflegungsstellen an. Weil es mir mental echt gut geht. Heute ist der Kopf stark. Ich bin so glücklich, hier zu sein. Rauf und runter zu rennen. „Denk ans Trinken, ans Essen. Nicht überpacen, aber auch nicht trödeln.“

Irgendwo ruft mir ein Streckenposten zu: „bischt Sechste“… Die ganze Zeit denke ich, Sechszehnte meinte sie wahrscheinlich, Sechste kann doch gar nicht sein… Eine Frau mit einer 50k-Startnummer überhole ich bergab noch. 

Irgendwann kommt der angekündigte Regen. Leider richtig heftig, keine Lust die Regenjacke auszupacken, ich laufe einfach weiter. Die Handschuhe tropfen und bringen auch nichts mehr. Pitschnass. Die Hose reibt mir die Haut an mehreren Stellen auf. Kann ich jetzt nicht ändern. Das tut zwar weh, aber es ist ziemlich egal, ob ich langsam oder schnell laufe, ob rauf oder runter. Duschen wird heute Abend schmerzhaft. 

Die unter Wasser stehenden Trails… ach, wären die schön zu laufen, wenn sie trocken wären. Aber: #staypositive erinnere ich mich und erzähle dem nächsten vor mir Laufenden, dass es aussieht als ob gleich wieder die Sonne rauskommt… Eine halbe Stunde später ist es – zumindest von oben – trocken. 

Downhill = Matschparty. Meine Schuhe haben eigentlich schon fast ausgedient – und entsprechend wenig Profil. Hier wünsch ich mir die neuen mit Softground-Profil, die im Auto geblieben sind. Aber auf den längeren flachen Forstwegpassagen war ich sehr froh um die bewusst getroffene Schuhwahl. Nächste Verpflegungsstation: Heiße Brühe. Tut richtig gut. 

Auf den letzten zwei Kilometern durch den Ortskern von Mayrhofen bis zum Ziel laufe ich glücklich – wie das ganze Rennen, die ganzen acht Stunden – und stolz. Auf meinen Kopf, auf meine Beine, auf die Entscheidung hier zu starten. Auf mich. Das darf man auch mal sein. #strongher 

Und – es war doch richtig, was der Streckenposten rief. Im Ziel bin ich die 5. Frau. Ich kann’s kaum glauben. Einfach spontan, auf unbekannter Strecke, ohne mich groß vorab auf dieses Rennen vorzubereiten (so schlecht hab ich mich vorab noch nie über den Streckenverlauf informiert wie hier…) und auch noch 3. in meiner Altersklasse W40. Manchmal ist es einfach gut, nicht alles so ernst zu nehmen. Locker bleiben. Einfach machen, könnte ja gut werden. #openminded  

Erkenntnis des Tages: 

„Surround yourself with people talking positively“

Ein Großteil der Fotos: vom Tag danach auf der Gegenseite. Am Berliner Höhenweg zur Edelhütte und ein Stück weiter Richtung Kassler Hütte.