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jubiläumsgrat

thou nature, art my goddess – to thy laws, my services are bound

„A weng spina dama mir olle scho a weng oda?“ … lautet der Kommentar eines lieben Freundes aus dem bayerischen Wald zu (m)einem Wochenende in den Bergen. Mit über 50 Kilometern laufen über traumhafte Bergpfade, flowige Trails, harte Anstiege und heftige Downhills. Mit über 5000 Höhenmetern auf und ab. Und als Krönung darunter acht Kilometer Grat-Kraxelei – der Jubiläumsgrat.

Der „Jubi-Grat“ – wie er liebevoll von seinen Verehrern und Verehrerinnen genannt wird – sei „kurzum – a Gaudi“, wurde mir im Vorfeld erklärt. Ein wenig skeptisch war ich beim zu Hause lassen des Kletterhelms schon – aber wo soll der während eines zweitägigen Trailruns am Rucksack ordentlich Halt finden? Und nur für die paar Kilometer einen Helm mitschleppen… Wir sind doch Trailrunner. Nun, nicht nur – ich bin auch Kletterin. Mal mehr (was schon mal bis zu exzessiven täglichen Kletterhallenbesuchen ging) mal weniger, wie momentan, da ich die Berge gerade als Laufrevier so intensiv erkunde, dass fürs Klettern kaum mehr Zeit bleibt. Daher erschien mir auch der Jubiläumsgrat als optimale Kombination – Trails laufen, Gipfelgrate kraxeln – #skyrunning – und damit liege ich 1a richtig. 

Wir starten ins Wochenende mit einem Feierabend-Lauf von Ehrwald auf die Coburger Hütte. Alles bestens, die 1000 Höhenmeter Anstieg zur Biberwierer Scharte fallen mir leicht, es läuft, der Atem bleibt locker. Die Nacht auf der Hütte dagegen ist ziemlich anstrengend. Sauerstoffmangel, nicht wegen den knapp 2000m ü NN sondern wegen der Enge im Matratzenlager (welcher Wahnsinnige macht hier bitte das Fenster nachts zu???). Am nächsten Morgen – mehr erschöpft als erholt  von der Nacht – geht es vom Drachensee runter und rüber und über die Hochalm wieder rauf: Richtung Zugspitze bis zum Gatterl – wunderschönes Wetter, super Trails – wenn nur der Körper etwas munterer wäre… Schon haben wir die nächsten 1000 Höhenmeter gesammelt, laufen an der Knorrhütte rechts vorbei und hinab ins Reintal. 

Zack, eine Unachtsamkeit – als eigentlich der vorblockte Downhill schon vorbei ist und der Weg wieder freier und einfacher – und ich falle. Mein Körper wird im Sturz aber von meinem Trailstock gestoppt (ob das jetzt besser war als sich ganz lang zu machen sei dahin gestellt) – und lande mit dem Bauch auf dem Stockende – aua, nicht lustig. Anscheinend aber nix passiert, ein kleiner Schreck, ein paar Kratzer, ein roter, morgen vielleicht blauer Fleck, mehr nicht. Weiter gehts. 

Der Stolperer hat aber was sehr Positives: er hat meine Lebensgeister geweckt, denn ab jetzt geht es plötzlich viel besser, über Reintal- und Bockhütte noch bergab auf dem bequem aber auch superschön laufbaren Wanderweg, dann links wieder steil hoch: der Bernadeiensteg. Sehr zu empfehlen! Von der Steilheit zwar nicht mehr wirklich laufbar, aber schnell werden hier Höhenmeter vertikal vernichtet und wir finden uns kurze Zeit später schon auf dem Weg zum Kreuzeckhaus, wo wir die zweite Nacht verbringen werden. Diesmal: viel Sauerstoff, Zweier-Zimmer, entspanntes Essen und guter Schlaf. 

Fazit des Tages: Laufe nie schneller als dein Kopf mitdenken kann.

Jetzt aber endlich zum eigentlichen Thema dieses Berichts: dem Jubiläumsgrat. Sonntag. Aufstehen. Frühstücken. Loslaufen.

Nun aber zum eigentlichen Anliegen dieses Berichts, dem Jubiläumsgrat. 

Zum „Einklettern“ wählen wir die Schöngänge, einen leichten Klettersteig der uns Richtung Alpspitze führt. Vom Gipfel der Alpspitze sieht es gar nicht so weit aus – der Grat hinüber zur Zugspitze – nicht weit – aber ein ständiges Auf- und Ab. Wir ahnen schon – soooo schnell geht’s nicht, da drüber zu klettern und auf dem höchsten Berg Deutschlands zu stehen. Vor allem  – es wird nicht allzu viele laufbare Passagen geben. Kraxeln ist angesagt. Der (von der Alpspitze aus) erste Teil lässt sich relativ einfach  und zügig überwinden. Tatsächlich – man bleibt fast ständig auf dem Rücken des Bergen. Es geht zwar auf und ab, aber immer mittig auf der Gratlinie entlang. Wunderschön. Die Aussicht heute traumhaft, sonnig, ohne Wolken. Optimale Temperaturen. Besser könnte es gar nicht sein. So kommen wir zügig voran, und erreichen bald schon das Biwak. Erstes Drittel (oder etwas mehr) geschafft. Der nächste Teil hat sogar einige laufbare Stücke, so ist das zweite Drittel auch schnell überwunden.

Wasser gibts hier übrigens keines. Nirgends. Kein Wasser und auch keine Schneereste – also immer ausreichend Flüssigkeit mitnehmen! Was man wirklich nicht mitnehmen braucht – wenn man alpines 2er bis 3er Gelände problemlos gehen kann – ist ein Klettersteigset. Denn die schwierigen Passagen sind zum Teil gar nicht versichert. Klar wird hier: das ist einfach KEIN Klettersteig. Das ist einen sehr schwere, lange, alpine Bergtour mit Schwierigkeiten bis III-. Es ist eine wunderschöne Kraxelei über den Grat, hoch runter hoch, insgesamt von der Alpspitze in allem über 1000hm Anstieg (obwohl die Zugspitze nur 300m höher als die Alpspitze ist). Am Ende spukt einen der Jubiläumsgrat abrupt auf dem Gipfel mitten unter den Turnschuh-Touristen aus. In eine andere Welt. Ein bisschen wie Außerirdische kommen wir uns mit unseren Trailschuhen, dem kleinen Laufrucksack vor, als neben uns die schwerbepackten hochalpine ausgerüsteten Bergsteiger aus dem Höllental heraufkommen. Und froh bin ich, von den Touristenmassen wieder schnell zu entfliehen – und ausnahmsweise diese Tour mit einer Seilbahnfahrt hinunter nach Ehrwald zu beenden.

Erste Begehung auf Strava

Zweite Begehung auf Strava

Danke an Tobias und Matthias für die supercoolen Fotos!